DIAGNOSE HEILUNG
Was brauchen wir um zu heilen, persönlich und auch als Gesellschaft?
mein Weg
Ich habe einen Weg gewählt, aus den Tiefen meines Herzens. Ich habe beschlossen mich nicht operieren zu lassen, keine Chemo und Bestrahlung, das war vor 3 1/2 Jahren, als ich die Diagnose Brustkrebs erhielt.
Ich hatte eine genaue Vorstellung, wie geradlinig mein Weg verlaufen wird, bis hin zur Heilung.
Doch dieser Weg verlief alles andere als geradlinig, er war sehr kurvenreich, es gab einige Straßensperren und viele Hindernisse. Einbahnstraßen ließen mich zweifeln und Autobahnen lockten mit einem schnellen Ergebnis. Mal befand ich mich auf einem Feldweg und dann wieder auf der Chaussee. Anfangs fühlte sich der Weg so richtig an, ich fühlte mich sicher in meiner Entscheidung.
Aber umso mehr Kurven kamen, immer mehr Hindernisse und Umleitungen auftauchten, oder meinen Weg kreuzten, umso unsicherer wurde ich. Alles war so anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Zweifel kamen auf je größer meine körperlichen Einschränkungen und Unannehmlichkeiten wurden, die in mein Leben traten, desto lauter wurde die wütende Stimme in meinem Kopf.
„Warum hast du das getan!“, schrie sie.
„Wie blöd muss man sein, sich so eine Quälerei psychisch wie physisch anzutun?“ Hörte ich es immer wieder in meinem Kopf.
Fast täglich stellte ich mir nun die Frage nach dem Sinn dieser Entscheidung, vielleicht wäre alles schon vorbei, du hättest wunderschöne künstliche Brüste und wärst sicher geheilt. Tönte es ständig in mir.
Aber mit jeder Frage nach dem Sinn, mit jedem Zweifel wurden die Beschwerden schlimmer. Der Krebs wuchs, die Schmerzen nahmen zu und und und…
Wo war mein Herz, meine tiefe Entscheidung, sie war dem gewichen, was versuchte, die Heilung zu kontrollieren. Ich wollte Heilung ganz und gar und sofort. Ich wollte keinen Schmerz, keine Metastasen und schon gar nicht sterben, so war das nicht geplant, schreie ich mich selbst an.
Wenn ich aber daran denke, wofür unser Leben da sein sollte, so ist es doch zu lernen, zu wachsen.
Es ist ein Platz der Transformation, aber was heißt das? Die gerade Straße ist keine Herausforderung, keine Aufgabe, nur ein Weg von A nach B. Wenn ich eine Diagnose bekomme und mir Heilung wünsche und sie bekomme, wo ist das lernen, der Weg? Ich hätte mich niemals gefragt, warum ich krank geworden bin, was mir die Krankheit zu sagen hat.
Niemals die Erfahrungen gemacht mit Schulmedizin, Kassen, Ärzten und Medizinpolitik, wie ich sie jetzt mache, manchmal wünschte ich es wäre einfacher - ehrlich.
Ich hätte mich niemals meinen Zweifeln gestellt, meinen Ängsten. Wenn wir nicht, kontrollieren können, ist der Zweifel sehr groß, denn was bleibt ist die Angst vor dem Unbekannten, das mir keinen gewünschten Ausgang garantiert. Aber kann es der andere Weg sein? Es ist wohl egal für welche Therapie ich mich letztendlich entscheide, ob Chemo und Co. oder Alternative Medizin, es gibt nicht die Autobahn, die schnelle Lösung.
Ich muss meine Koffer packen und auf die Reise gehen, mit all meinen Zweifeln, Ängsten und Sorgen. Mit Prognosen und CT-Ergebnissen im Gepäck. Mit meinen Gedanken und Emotionen eben, mit allem, was menschlich ist und das in einer lebensbedrohenden Situation.
Wenn die Reise beginnt und wir von Etappe zu Etappe reisen und dabei jeweils ein Stück von unserem Lebensgepäck ablegen dürfen, hinter uns lassen können, die Wut, die Sorgen, die Zweifel, die Trauer etc. Dann erreichen wir unser Ziel, nicht immer auf Anhieb, denn zu jeder Reise gehört auch immer das Unvorhersehbare, aber wenn ich in der Lage bin, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren, das ist in meinen Fall mein inneres Wachstum, das Loslassen von Kontrolle, dann werde ich ankommen im Licht. Wie auch immer das dann aussehen mag, das ist ja das spannende, denn ist es nicht vorhersehbar. Das ist die Kunst des Loslassens, das Annehmen der Situation. Ich verzeihe mir jetzt jede Kurve, jeden U-Turn, denn sie waren allesamt notwendig, wenn auch oft sehr herausfordernd und schmerzhaft. Es geht darum meinem Herzen zu folgen, egal wie steinig der Weg wird. Mein Herz hat mir vor über 3 Jahren den Weg gewiesen, aber meine Zweifel und Kontrollsucht haben ihn zu dem gemacht, was ich gerade erlebe. Vertrauen und der feste Glaube an eine höher Macht erlaubt mir jetzt zu entspannen, egal was in meinem Körper vor sich geht. Ich stelle mich dem, was rechts und links am Straßenrad auftaucht und dort auf mich wartet, zu meinem höchsten Wohl, hier in dieser Welt oder vielleicht auch in der nächsten. Wer weiß schon, was sich hinter der nächsten Kurve verbirgt.
Es gibt Menschen, die reisen auf der Autobahn, aber die haben ihr Gepäck wohl schon vorausgeschickt an ihr Ziel. Ich durfte auf meinem Weg viel lernen und lerne noch. Der tiefere Sinn dieser Erfahrungen und Leiden erschließt sich uns oftmals erst im Nachhinein.
Die schwierigsten Reisen bleiben uns immer in Gedächtnis, wir lachen und reden noch Jahre später davon. Die ruhigen, ereignislosen dagegen verschwinden schnell aus unserem Fokus. Das Leben ist ein Abenteuer, mit anspruchsvollen Reisen zu uns selbst. Wo erfahre und lerne ich mehr, beim Aufstieg auf den Kilimandscharo oder im Saufurlaub auf Malle? Beides macht Spaß, aber was bereichert mich?
Aber das Tolle an jeder Kreuzung im Leben darf ich mich umentscheiden, wieder entscheiden oder einen ganz neuen Weg gehen....